Vor Tagen angekündigt startete heute, Montag, den 05.10.20 der Verkauf der „Kirmes im Karton“ um 09:30 Uhr im Garten neben der Teichsmühle. Eine tolle Idee der WMS–Soest. Kirmes-Devotionalien im Karton, die diesjährige Allerheiligenkirmes im Herzen. Soweit alles in Butter: Wecker entsprechend gestellt und früher in die Stadt gegangen! So der Plan. Eben noch die Zeitung lesen, dann aber los. Für meine Verhältnisse tatsächlich ziemlich im Zeitplan war ich um 08:30 Uhr an der Teichsmühle. Wartende Kirmesverrückte, gemütlich auf Campingstühlen vor dem Mühlrad sitzend, erwarteten mich mit mitleidsvollen Mienen und verhießen nichts Gutes. Na gut, an der Schlange vorbei Richtung Osterkamp, wird schon nicht so schlimm werden. Huch, auch der Schweinemarkt war mit einer an der Wand entlang schleichenden, hoch disziplinierten, Warte-Serpentes bestückt. Nicht etwa diagonal über den Platz, nein jede Gerade und jede Ecke am Rand des Platzes ausnutzend. Sieht ja auch schöner aus. Ich werd´ verrückt, aber hinter der AOK ist dann wohl das Ende der Ausharrenden zu erwarten. Nöpp, auch hier eine akkurate, den Hygienevorschriften entsprechende, exakt 1,5 Meter Abstand einhaltende Linie von geduldig wartenden Kirmesfans. Na ja, dann kann ich das „Unangenehme“ mit dem Nützlichen verbinden und bei der Deutschen Bank gleich Geld holen. War auch bitter nötig, da ich inzwischen einige Bitt-Anrufe erhalten habe, doch bitte eben ein paar Kirmes-Pins mitzubringen. Tatsächlich konnte ich mich am selbigen Bankhaus am aktuellen Ende der Schlange einordnen. Klasse! Zwischenzeitlich kam uns der gut gelaunte, allseits bekannte Anzeiger-Fotograph entgegen und wusste zu berichten, dass ich an Position 127 doch noch realistische Chancen hätte, eines dieser Kirmes-Care-Pakete zu erhaschen. Meine Laune wurde schlagartig verbessert. Kopfschüttelnde Autofahrer zwängten sich zwischen uns und dem Gegenverkehr hindurch, nicht wissend, warum um Gottes Willen an einem Montag Morgen so viele Menschen vor einer Bank in der Schlange stehen. Börsencrash? Finanzkrise? Beifahrer wurden als verzweifelte Parkplatz-Scouts losgeschickt, liefen schon einmal vor, um zu sehen, was da los ist. Ach ja, die Soester und irgendwas mit Kirmes, das reicht, um einen Ausnahmezustand zu kreieren. Einer dieser Scouts rief schon von weitem, dass die Schlange bis hinter Fromme gehe, ein Zustrom der Kaufwilligen reiße nicht ab. Inzwischen kam in mir ein wirkliches Kirmesgefühl hoch, welches ich sonst nur vom langen Stehen vor einem Kirmes-Bierstand kenne. Die Kälte schlich sich langsam von unten durch die Sohlen in meine Statik. Super, wie auf der Kirmes, und pullern müsste ich auch mal.
Wie auf der Autobahn im Stau ging es nach einer Stunde unerklärlicherweise plötzlich und unerwartet aus dem Stand von Null auf Hundert weiter. Der Stand muss seine Klappen geöffnet haben. Nach zehn rasanten Metern im Gleichschritt mit den vor mir wartenden ging dann wieder nichts mehr. Egal, auch auf der Kirmes ist so manches Mal Geduld gefragt.
Irgendwann war ich tatsächlich auf dem Teichsmühlen-Vorplatz angekommen. Stolze Spaßvögel präsentierten ihre erstandenen Kirmestrophäen, nicht ohne den Wartenden mitzuteilen, dass nur noch 20 Kartons da sein. Bitte, jetzt keine anarchistischen Straßenkämpfe! Beruhigende Nachrichten kamen durch die stille Post von vorne nach hinten, noch sei genug Material da. Beruhigt, aber nicht mehr gänzlich sicher, ob Startplatz 127 reicht, harrte ich weiter aus. Ein Schild deutete an, dass nur Barzahlung akzeptiert werden kann. Gut, dass ich im Gegensatz zu anderen Leidensgenossen, den Einstieg in die Warteschlange an einer Bank vollzogen habe. Natürlich wurden hier und da Plätze für die zu einer Bank spurtenden Menschen freigehalten. Noch 3 Meter bis zum Stand, die Kälte war am Kleinhirn angekommen und der Druck auf die Blase hatte Kirmes-Donnerstags-Niveau angenommen.
Gebetsmühlenartig höre ich, frei nach Monty Python, „Jeder nur ein……. Karton“! Eine super Sache, denn sonst wäre wahrscheinlich spätestens bei dem 50sten Kirmeskunden das Wort „Ausverkauft“ gefallen.
Und dann bin wirklich ich dran, „Kirmes im Karton“ erstanden, dazu einige Auftragseinkäufe erledigt, Pins eingetütet. Ab dafür! Stolz an den noch Wartenden vorbei flanierend blicke nun ich mitleidig auf die noch Wartenden. Eigentlich sollte ich mir das mit dem Klappstuhl auch gönnen, aber der Blasendruck ist nach 2,5 Stunden dann doch zu groß. Alles in allem, wie auf der Kirmes!
Bleibt mir nur noch, meine Bewunderung den in der Schlange wartenden Kirmesfans gegenüber auszudrücken. Hoch diszipliniert und geduldig mit Abstand verweilend, selbst Londoner Busreisende wären beeindruckt gewesen. Chapeau, auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verkaufsstand der WMS. Der Ansturm auf den Verkaufsstand war dem auf einen Bierstand auf dem Pferdemarkt sehr ähnlich, die bewahrte Ruhe und Freundlichkeit, mit der den Kunden immer wieder mitgeteilt wurde, dass jeder nur eine Erwachsenen- und eine Kinderbox bekommen kann, war sehr beeindruckend. Vielen Dank!
Irgendwie war es ein sonderbares, aber tolles Kirmeserlebnis!
Bis bald
Oliver Früchtenicht